PRAXISWISSEN ÄRZTE / ÄRZTINNEN BAND III: ERFOLGREICH ABGEBEN!Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 2 4. Auflage, Würzburg, Juli 2022 © Kanzlei Martin, André Martin - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht Beethovenstr. 1a, 97080 Würzburg, www.kanzleimartin.com Tel.: 0931 / 20 70 15-10 Mail: mail@kanzleimartin.com Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr, Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Die Inhalte dieses Booklets wurden mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Wir über- nehmen jedoch weder Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Inhalte noch die Haftung für etwaige Schäden, die aus der Benutzung der Inhalte entstehen. Die Nutzung der Inhalte erfolgt auf eigene Ver- antwortung des Lesers. Durch die Nutzung des Booklets kommt kein Vertrags- verhältnis mit uns zustande.3 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin Liebe Leserin, lieber Leser, im Laufe einer Karriere wird es irgendwann Zeit über den Ruhestand nachzudenken. Sowohl Angestellte als auch Selbständige müssen sich dabei mit der Frage ausei- nandersetzen, wann für sie der richtige Zeitpunkt zum Aufhören gekommen ist. Für Selbständige stellt sich außerdem die Frage, ob und wie sie ihre Praxis am besten an einen Nachfolger/ eine Nachfolgerin übergeben können. Nicht jeder Praxisinhaber/ jede Praxisinhaberin kann sich darauf verlassen, mit sei- ner/ ihrer Praxis einen hohen Kaufpreis zu erzielen. Der Markt hat sich zugunsten der Kaufenden verändert, d.h. es werden mehr Praxen angeboten, als Kaufinteressenten vorhanden sind. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig Gedanken zu machen und den Zeitpunkt und die Art der Praxisübergabe konkret zu planen. Dieses Booklet soll Sie dazu anregen, über die wichtigsten Fragen im Rahmen der Praxisübergabe und der Planung des Ruhestands nachzudenken. Es enthält außer- dem Informationen, in welcher Form Sie Ihre Praxis übergeben können und welche steuerlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte dabei eine Rolle spielen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 4 Inhaltsverzeichnis 1 Wie lange möchte ich noch arbeiten? ................................................6 1.1 Die zentrale Frage ..........................................................................................6 1.2 Verschiedene Typen von Praxisinhabern/ Praxisinhaberinnen .......................6 1.3 Harter Schnitt oder langsames Ausklingen .....................................................6 1.4 Zulassungsrechtliche Aspekte ......................................................................12 1.5 (Realistische) Ziele für den Ruhestand .........................................................14 2 Kann ich es mir überhaupt leisten aufzuhören? ...............................15 2.1 Vermögensaufstellung ..................................................................................15 2.2 Ermittlung des Kapitalbedarfs im Ruhestand ................................................18 3 Verkauf der Praxis ............................................................................19 3.1 Kaufpreis / Praxisbewertungen .....................................................................19 3.2 Aufwertung der Praxis...................................................................................20 3.3 Exposé ..........................................................................................................21 3.4 Verkaufsplattformen ......................................................................................21 3.5 Verkauf an bereits niedergelassene Kollegen/ Kolleginnen vor Ort ..............21 3.6 Mietvertrag Praxisräume ...............................................................................22 3.7 Sonstige Verträge .........................................................................................22 3.8 Praxiskaufvertrag ..........................................................................................23 4 Steuerliche Aspekte .........................................................................24 4.1 Steuervergünstigungen des Veräußerungsgewinnes ...................................24 4.1.1.Ermäßigter Steuersatz ................................................................................24 4.1.2. Freibetrag ..................................................................................................25 4.1.3. „Unschädliche“ Tätigkeiten ........................................................................25 4.2 Mögliche zusätzliche steuersenkende Maßnahmen .....................................26 5 Kinder und Praxisnachfolge .............................................................27 5.1 Unentgeltliche Praxisabgabe (Schenkung) ...................................................27 5.2 Entgeltliche Praxisabgabe ............................................................................28 5.3 Kaufpreisentrichtung .....................................................................................30 6 Praxisaufgabe ..................................................................................305 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin 7 Rentenzahlungen Bayerische Ärzteversorgung (BÄV) ....................31 7.1 Sind freiwillige Mehrzahlungen ins Versorgungswerk sinnvoll? ....................31 7.2 Beginn der Rentenzahlung ...........................................................................31 7.3 Hinzuverdienstmöglichkeiten ........................................................................31 7.4 Gestaltungsmöglichkeiten .............................................................................32 8 Planung Vermögensübergabe und Erbschaftsteuer ........................34 8.1 Versorgungssicherheit und Familienfrieden ..................................................34 8.2 Gesetzliche / gewillkürte Erbfolge .................................................................34 8.3 Steuerklassen und Freibeträge .....................................................................34 8.4 Steuersätze ...................................................................................................36 8.5 Erbschaftsteueroptimierung ..........................................................................36 9 Schlusswort ......................................................................................37Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 6 1 Wie lange möchte ich noch arbeiten? 1.1 Die zentrale Frage Unabhängig davon, mit welchem der folgenden Typen Sie sich am meisten identifizie- ren, zählt am Ende eine Frage: „Wie lange möchte/muss ich noch arbeiten?“ Von dieser Antwort hängt es ab, welche der nachfolgend dargestellten Vorgehens- weisen für Sie am besten passt. Dabei spielen auch Ihre Pläne für das „Danach“ eine wichtige Rolle. 1.2 Verschiedene Typen von Praxisinhabern/ Praxisinhaberinnen Wie andere Berufsgruppen haben auch Ärzte/ Ärztinnen ganz unterschiedliche Ein- stellungen zu ihrem Beruf. Jeder Berufsweg ist anders und mit verschiedenen guten und weniger guten Erfahrungen verbunden. Jeder Praxisinhaber/ jede Praxisinhabe- rinnen hat zudem eine individuelle Einstellung zum Thema Ruhestand. Wenn Sie ein „Macher“ sind und vielseitige Interessen haben, könnten Sie den Wunsch entwickeln, die gut laufende Praxis frühzeitig abzugeben, um sich mit voller Energie und viel Zeit neuen Herausforderungen zu stellen. Wenn Sie seit Jahren routiniert behandeln, aber die Motivation und die körperliche Leistungsfähigkeit nachlassen, steigt das Bedürfnis aus dem „Hamsterrad“ auszustei- gen oder zumindest kürzer zu treten. Wenn Sie mit Leib und Seele Arzt/ Ärztin sind und sich nicht vorstellen können, Ihre Patienten/ Patientinnen und Mitarbeiter/ Mitarbeitenden „im Stich zu lassen“, kann Sie auch kein attraktives Angebot zum Verkauf der Praxis bewegen. Vielleicht ist aber eine Reduktion der Arbeitszeit auf ein angenehmes Maß verlockend? 1.3 Harter Schnitt oder langsames Ausklingen Je nach Typ haben Sie entweder noch Spaß an der Vollzeittätigkeit, wollen noch in einem reduzierten Umfang in der Praxis tätig sein oder möchten möglichst schnell Ihre Freizeit ohne Praxis genießen. Alles ist mit entsprechenden Modellen möglich.7 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin Langfristige Entlastung durch dauerhafte Anstellung Wenn Sie Ihre Praxis noch nicht verkaufen, aber die Arbeitszeit bereits reduzieren möchten, können Sie einen Arzt/ eine Ärztin anstellen. Durch einen fähigen jungen Kollegen/ eine fähige junge Kollegin können Sie Unterstützung erhalten und recht bald Ihre Arbeitszeit vollends herunterfahren. Damit behalten Sie weiterhin die Zügel in der Hand, können sich aber Entlastung und Freiraum für Privates schaffen. Wenn Sie Ärzte/ Ärztinnen anstellen, denen die Selbständigkeit eher fernliegt, reduzieren Sie das Risiko, dass Sie einen späteren Konkurrenten mit Ihren Patienten/ Patientinnen und Ihrem Personal vertraut machen. Es muss Ihnen aber auch bewusst sein, dass solch ein Angestellter/ solch eine Angestellte Ihnen später die Praxis wahrscheinlich nicht abkaufen wird. Anstellung des Käufers vor dem Verkauf Als erster Schritt eines mittelfristig anstehenden Praxisverkaufs kann die Anstellung des späteren Käufers/ der späteren Käuferin sinnvoll sein. Ein Kaufkandidat/ eine Kaufkandidatin kann durch die Mitarbeit in der Praxis von einem Kauf überzeugt wer- den. Während der Anstellung können Sie den Angestellten/ die Angestellte einlernen, ohne bereits Mitspracherecht bei der Praxisführung abzugeben. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht ungefährlich. Sie haften als Arbeitgeber/ Ar- beitgeberin für sämtliche Fehler, die dem Kollegen/ der Kollegin bei der Behandlung unterlaufen, ohne ihn/ sie permanent kontrollieren zu können. Der/ die Angestellte kann sich mit Ihrem Praxisteam und einem Großteil des Patientenstamms bekannt und vertraut machen. Ohne eine vertragliche Bindung hindert den Angestellten/ die Angestellte (rechtlich) nichts daran, nach einer gewissen Zeit zu kündigen und eine eigene Praxis in der unmittelbaren Nähe zu eröffnen, falls Sie in einem nicht gesperr- ten Gebiet niedergelassen sind. Es gibt einige Fälle, in denen der junge Konkurrent/ die junge Konkurrentin einen Großteil der Patienten/ Patientinnen und des Personals in seine/ Ihre Praxis oder zu einem anderen Arbeitgeber/ einer anderen Arbeitgeberin mitnehmen konnte. Es gibt zwar die Möglichkeit, in einem Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbe- werbsverbot zu regeln. Damit dieses wirksam ist, muss der Praxisinhaber/ die Praxis- inhaberin sich aber verpflichten, dem/ der Angestellten für die Zeit des Wettbewerbs- verbots eine sog. Karenzentschädigung zu bezahlen. Diese muss mindestens die Hälfte der zuvor erhaltenen Vergütung betragen. Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 8 Da der/ die Angestellte dadurch buchstäblich fürs Nichtstun bezahlt wird und darüber hinaus hohe formelle Anforderungen an die Konkurrenzschutzklausel gestellt werden, ist ein (wirksames) nachvertragliches Wettbewerbsverbot in Arbeitsverträgen selten zu finden. Wenn die Anstellung des jungen Kollegen/ der jungen Kollegin von Anfang an auf die spätere Übernahme der Praxis angelegt ist, sollte nach einer kurzen Probezeit ein ver- bindlicher Praxiskaufvertrag unterzeichnet werden. Die Praxisübergabe kann davon losgelöst erst später erfolgen. Ab der Unterzeichnung des Vertrages ist aber für Sie klar, dass Sie die Praxis an den Kollegen/ die Kollegin verkaufen werden. In dem Ver- trag sollte der spätere Kaufpreis konkret beziffert werden. Das hat den Vorteil, dass der Käufer/ die Käuferin schon als Angestellter/ Angestellte tatkräftig zur Umsatzstei- gerung der Praxis beitragen kann, ohne diesen neu geschaffenen Wert später in Form eines erhöhten Kaufpreises bezahlen zu müssen. Anstellung des Verkäufers nach dem Verkauf Sie können auch nach dem Verkauf Ihrer Praxis im Rahmen einer Anstellung für den Käufer/ die Käuferin tätig werden. Dann haben Sie die betriebswirtschaftliche, organi- satorische und personelle Verantwortung schon abgegeben und den Kaufpreis bereits erhalten. Trotzdem können Sie noch Patienten/ Patientinnen behandeln und erzielen weiterhin Einkünfte. Sie sollten sich allerdings nicht auf den langfristigen Bestand eines Arbeitsverhält- nisses verlassen. Ein Arbeitsverhältnis kann gekündigt werden. Der Arbeitgeber/ die Arbeitgeberin hat das Weisungsrecht und kann Ihnen Patienten/ Patientinnen und Personal zuweisen, ohne dass Sie ein Mitspracherecht haben. Wenn Sie auf die Ein- künfte angewiesen sind, ist es daher sicherer, die Praxis erst später zu verkaufen. Es gibt auch ehemalige Praxisinhaber/ Praxisinhaberinnen, die darunter leiden, dass sie in ihrem alten „Herrschaftsbereich“ nichts mehr zu sagen haben und dass der Käufer/ die Käuferin viele Dinge ändert, an die sich der Abgeber/ die Abgeberin über lange Zeit gewöhnt hat. Übergangs-Berufsausübungsgemeinschaft (Übergangs-BAG) Sollten Sie einen Kaufinteressenten zu einem Zeitpunkt finden, zu dem Sie selbst noch nicht aufhören möchten, bietet sich die Gründung einer Übergangs-BAG an. Hierbei arbeiten Sie mit dem Übernehmer/ der Übernehmerin für eine gewisse Zeit zusammen und können ihn an die Patienten/ Patientinnen und die Praxisabläufe heranführen. Der Nachfolger/ die Nachfolgerin kann in die Praxisabläufe hineinfinden und tritt früh gegenüber Personal und Patienten/ Patientinnen als Inhaber/ Inhaberin auf.9 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin Der Gesellschaftsvertrag muss so formuliert sein, dass rechtssicher festgelegt ist, wann Sie ausscheiden und wie hoch die Abfindung ist, die Ihnen der Kollege/ die Kol- legin zu Ihrem Ausscheiden (z. B. nach 5 Jahren) als Äquivalent zum Kaufpreis zahlen wird. Die Verwertung Ihrer Praxis muss gesichert sein, d. h. der Kollege/ die Kollegin darf nicht mehr grundlos „abspringen“ können. Auch im Falle Ihrer Berufsunfähigkeit oder Ihres Todes haben Sie bzw. Ihre Erben in einem guten Vertrag Anspruch auf die Abfindung. Die Gründung einer Übergangs-BAG ist deshalb der übergangsweisen An- stellung des Kaufinteressenten/ der Kaufinteressentin im Regelfall vorzuziehen, auch weil hier dem jungen Kollegen/ der jungen Kollegin ein wirksames Wettbewerbsverbot auferlegt werden kann. Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist die engste Form ärztlicher Zusammenarbeit und bietet daher auch immer Konfliktpotential. Die kooperative Arbeitsweise sollte Ih- nen liegen. Wenn Sie Ihr Berufsleben lang „Einzelkämpfer“ waren, kann es schwierig werden, zugunsten eines gleichberechtigten Partners/ einer gleichberechtigten Part- nerin Kompromisse eingehen zu müssen. Einige ältere Ärzte/ Ärztinnen kommen nicht damit klar, dass nun alle von ihnen getroffenen Gestaltungsentscheidungen und Ab- läufe auf dem Prüfstand stehen. Andere hingegen erleben auch einen richtigen Mo- tivationsschub, wenn sie nicht mehr für alle organisatorischen Arbeiten alleine ver- antwortlich sind und ihre Arbeitszeit reduzieren können. In Anbetracht des längeren Zeitraums der Zusammenarbeit sollten Sie den potenziellen Kollegen/ die potenzielle Kollegin und vor allem auch sich selbst gut einschätzen können, bevor Sie eine Über- gangs-Berufsausübungsgemeinschaft eingehen. Umso wichtiger ist, dass Sie die Erstellung des Gesellschaftsvertrages ernst nehmen und diesen von einer spezialisierten Kanzlei fertigen lassen. Das Recht der Personen- gesellschaften ist in hohem Maß von Einzelfallrechtsprechung geprägt, sodass Ver- träge von Nichtspezialisten fast zwangsläufig Lücken und unwirksame Regelungen enthalten. Dies sollten Sie bei der Verwertung Ihrer Praxis nicht riskieren. Eine gute Beratung zum Gesellschaftsvertrag beinhaltet auch, dass die Parteien im Vorfeld über alle wichtigen und konfliktträchtigen Aspekte der Zusammenarbeit sprechen. Somit kann noch rechtzeitig gehandelt werden, sollten sich hierbei problematische Differen- zen ergeben.Next >