PRAXISWISSEN ZAHNÄRZTE / ZAHNÄRZTINNEN BAND I: ERFOLGREICH NIEDERLASSEN!Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 2 4. Auflage, Würzburg, Mai 2022 © Kanzlei Martin, André Martin - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht Beethovenstr. 1a, 97080 Würzburg, www.kanzleimartin.com Tel.: 0931 / 20 70 15-10 Mail: mail@kanzleimartin.com Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr, Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Die Inhalte dieses Booklets wurden mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Wir überneh- men jedoch weder Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der be- reitgestellten Inhalte, noch die Haftung für etwaige Schäden, die aus der Benutzung der Inhalte entstehen. Die Nutzung der Inhalte erfolgt auf eigene Verantwortung des Lesers. Mit der Nutzung des Booklets kommt kein Vertragsverhältnis mit uns zustande.3 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin Liebe Leserin, lieber Leser, dieses Booklet richtet sich an alle (angehenden) Zahnärztinnen und Zahnärzte, die darüber nachdenken, sich selbständig zu machen. Diese Entscheidung wird Ihr wei- teres berufliches und privates Leben stark beeinflussen. Daher sollten Sie sich vorher umfassend informieren, Ihr Vorhaben gründlich durchdenken und auf der Grundlage aller Informationen die richtige Entscheidung treffen. Dabei müssen Sie sich u. a. die folgenden Fragen stellen: Bin ich überhaupt der Typ für die Selbständigkeit? Welchen Einsatz bin ich bereit für meine Praxis zu erbringen? Bin ich eher Teamplayer oder Einzelkämpfer, eher Stadt- oder Landmensch? Welche Investitionshöhe bin ich bereit zu tätigen? Mit welchem Praxisgewinn wäre ich langfristig zufrieden? Welcher Kredit ist der richtige für mich? Habe ich schon eine konkrete Praxis im Auge, die ich übernehmen oder bei der ich einsteigen möchte, oder will ich eine neue Praxis gründen? Welche Risiken kann ich wie umgehen? Welche Fehler kann ich vermeiden? Dieses Booklet soll Sie für wichtige Fragestellungen und mögliche Fehler im Rahmen der Existenzgründung sensibilisieren. Es soll Sie außerdem in die Lage versetzen, gut informiert weitere Recherchen zu Ihrer Wunschpraxis zu betreiben und sich bei Bedarf kompetenter Beratung zu bedienen. Wenn Sie nach der Lektüre Ihr berufliches Ziel klarer vor Augen haben und mit einem realistischen Blick inspiriert und motiviert an die Planung gehen, dann haben wir unser Ziel erreicht. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre! Bei Fragen können Sie uns gerne unter der Nummer 0931/ 20 70 15-10 anrufen.Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 4 Inhaltsverzeichnis 1 Ist die Selbständigkeit etwas für mich? ..............................................6 1.1 Anstellung versus Selbstständigkeit ...............................................................6 1.2 Angestellten- oder Inhabertyp? .......................................................................8 1.3 Wieviel Einsatz möchte bzw. kann ich leisten? ...............................................9 1.4 Gewinnmöglichkeiten ....................................................................................10 1.5 Bruttogehalt vs. Praxisgewinn.......................................................................11 2 Arten der Niederlassung ..................................................................13 2.1 Praxisneugründung .......................................................................................13 2.2 Übernahme einer Einzelpraxis ......................................................................14 2.3 Einstieg in eine bestehende Berufsausübungsgemeinschaft ..........................16 3 Arten der Kooperation ......................................................................18 3.1 Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)..........................................................18 3.2 Praxisgemeinschaft.......................................................................................19 3.3 Medizinisches Versorgungszentrum ............................................................22 4 Standortwahl ....................................................................................25 4.1 Stadt oder Land? ..........................................................................................25 4.2 Standortanalyse ............................................................................................26 5 Prüfung einer Praxis aus der Sicht des Kaufinteressierten ..............27 5.1 Analyse der betriebswirtschaftlichen Daten ..................................................27 5.2 Prüfung der Einrichtung / Geräte ..................................................................27 5.3 Ermittlung der Personalstruktur ....................................................................28 5.4 Passende Räumlichkeiten ............................................................................28 5.5 Prüfung der Verträge.....................................................................................29 5.6 Praxisbewertung ...........................................................................................29 5.7 Praxiskaufvertrag ..........................................................................................31 6 Businessplan ....................................................................................32 7 Darlehen ...........................................................................................33 7.1 Tilgungsdarlehen ..........................................................................................33 7.2 Annuitätendarlehen .......................................................................................34 7.3 Endfälliges Darlehen .....................................................................................34 7.4 Geförderte Darlehen .....................................................................................35 7.5 Kontokorrentkredit / Betriebsmitteldarlehen ..................................................375 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin 8 Der Mietvertrag ................................................................................38 9 Der Gesellschaftsvertrag ..................................................................41 9.1 Gefahr der Scheingesellschaft ......................................................................43 9.2 Rechtsformwahl - Eine Frage der Haftung....................................................44 9.3 Verpflichtung des Seniors zur Überleitung des Patientenstamms ............................44 10 Betrieb der Praxis .............................................................................45 10.1 Besteuerung von Angestellten und Niedergelassenen ................................45 10.2 Praxiscontrolling / Praxisoptimierung...........................................................48 10.3 Marketing .....................................................................................................48 11 Unser Motto: ..........................................................................................48 12 Lust auf mehr?! ......................................................................................49Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 6 1 Ist die Selbständigkeit etwas für mich? Jeder junge Zahnarzt/ jede junge Zahnärztin sollte sich die Frage stellen, ob er / sie langfristig in Anstellung oder in eigener Praxis arbeiten möchte. Beide Varianten ha- ben Vor- und Nachteile. Ob Sie mit der Selbständigkeit glücklich werden, hängt vor allem von Ihrer Persönlichkeit und Ihren Vorstellungen von der Work-Life-Balance ab. Die hohe Investitionssumme kann abschreckend wirken. Diese ist aber nicht gleich- bedeutend mit hohem finanziellem Risiko. Das kann man mit einer guten Planung und fachlicher Beratung geringhalten. 1.1 Anstellung versus Selbstständigkeit Vorteile der Selbständigkeit Sie können die Praxis nach Ihren Vorstellungen und Wünschen gestalten. Von der Einrichtung über die Personalzusammensetzung bis hin zur fachlichen Spezialisie- rung und den Qualitätsanspruch können Sie als Praxisinhaber / Praxisinhaberin allei- ne bestimmen, was Ihnen wichtig ist. Wenn Ihre Praxis erfolgreich ist, sind Sie dafür direkt verantwortlich (Selbstverwirklichung). Viele Selbständige machen die Erfahrung, dass ihre Praxis zum „eigenen Baby“ wird, auf das sie stolz sind und in das sie gerne Arbeitszeit und Kraft investieren. Darüber hinaus sind in der eigenen Praxis deutlich höhere Einkommen möglich als in der Anstellung. Nachteile der Selbständigkeit Sie binden sich an den Ort der Praxis. Sie sind direkter von den vielfältigen Bürokratie- anforderungen betroffen. Die unternehmerischen Aspekte der Selbständigkeit (z. B. wirtschaftliches Denken, Treffen vieler Entscheidungen, Konkurrenzkampf, Personal- führung und Mitarbeiterverantwortung) liegen nicht jedem. Wenn Sie zu wenig Be- handlungen durchführen oder zu hohe Kosten haben, reduziert sich Ihr Gewinn. Wenn Sie als Behandler/ Behandlerin urlaubs- oder krankheitsbedingt ausfallen, reduziert sich – je nach Struktur der Praxis – der Umsatz sehr stark. Die Kosten (Miete, Personal usw.) laufen hingegen unverändert weiter. Diese Risiken sollten mit Rücklagen und Versicherungen abgesichert werden.7 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin Vorteile der Anstellung In der Anstellung erhalten Sie monatlich ein bestimmtes Gehalt. Anders als in der Selbständigkeit haben Sie Anspruch auf bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krank- heitsfall, Mutterschutz und Elternzeit. Den Lohnanspruch haben Sie unabhängig vom Gesamtumsatz der Praxis. Das Risiko, dass die Einnahmen für die Auszahlung des Gehalts nicht genügen, trägt die Arbeitgeberseite. Auch in der Anstellung sollten Zahnärzte/ Zahnärztinnen den von ihnen erwirtschaf- teten Umsatz kennen und wirtschaftlich denken. Eine Faustregel besagt, dass routi- nierte Behandelnde einen monatlichen Umsatz von ca. 30.000,00 € anstreben sollten. Nachteile der Anstellung Bei der Anstellung besteht ein Weisungs- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den zusammenarbeitenden Parteien. Der/ die Angestellte erwirtschaftet den Umsatz durch Erbringung zahnärztlicher Behandlungen für den Praxisinhaber/ die Praxisinhaberin und wird meist in Form einer Gehaltszahlung entschädigt. Diese fällt im Vergleich zum Gewinn des Praxisinhabers/ der Praxisinhaberin allerdings geringer aus und sie haben weder unternehmerische Risiken noch Chancen. Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf Gerade junge Zahnärztinnen sehen sich vor der Herausforderung, die Zeit des Berufs- einstiegs mit dem Wunsch nach Familie in Einklang zu bringen. Schwangerschaft und Geburt bringen Unwägbarkeiten hinsichtlich der körperlichen Belastbarkeit der werdenden Mutter mit sich. Während manche Praxisinhaberin bis kurz vor der Entbindung im gewohnten Umfang am Behandlungsstuhl arbeiten kann, muss eine andere die Schwangerschaft aufgrund gesundheitlicher Risiken vielleicht überwiegend liegend verbringen. Vorhersehen lässt sich das in der Regel nicht. Außer- dem haben viele Mütter den Wunsch, ihre Kinder jedenfalls in der Babyzeit überwie- gend selbst zu betreuen. Hier bietet die Anstellung die Möglichkeit, durch Mutterschutz, Elternzeit und Beschäf- tigungsverbote die für die Familie benötigten Auszeiten vom Beruf zu nehmen.Kanzlei Martin - Kanzlei für Heilberufe 8 In der Selbständigkeit gibt es diese Schutzmechanismen nicht und eine Inhaberin bleibt zu jedem Zeitpunkt für ihre Praxis in der Verantwortung. Dennoch ist es auch in der Niederlassung möglich, für überschaubare Zeiträume beruflich kürzer zu treten. Damit das gelingt, sollten Sie Ihre Praxis bereits einige Jahre am Markt etabliert haben und auf zuverlässige angestellte Kollegen/ Kolleginnen zurückgreifen können, die die Patientenbehandlung übernehmen. Dieses Modell kann gerade für Zahnärztinnen, die sich sehr jung niederlassen, interessant sein. Auch der Zusammenschluss mit Kollegen/ Kolleginnen in einer Berufsausübungsge- meinschaft kann hilfreich sein, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Dabei ist es unerlässlich, die eigenen Wünsche klar mit den anderen Partnern/ Partnerinnen der BAG zu kommunizieren und vertraglich festzulegen, wie sich eine Reduktion der Arbeitszeit insbesondere im Hinblick auf den Gewinnanteil auswirkt. Abzuraten ist nach unserer Erfahrung von einem zeitlichen Zusammentreffen von Schwangerschaft und Geburt mit der Niederlassung, weil Sie dann bei ungünstigem Verlauf möglicherweise nicht die nötige Zeit und Kraft für den Aufbau und die Etablie- rung Ihrer Praxis haben. 1.2 Angestellten- oder Inhabertyp? Im Anstellungsverhältnis sind Sie vorwiegend behandelnd tätig. Mit den unterneh- merischen Aspekten der Praxisführung haben Sie normalerweise keinen Kontakt. Vie- le Angestellte sind damit zufrieden und schätzen die arbeitsrechtlichen Vorzüge des Anstellungsverhältnisses. Wenn Ihnen geregelte Arbeitszeiten und klare Vorgaben wichtig sind und Sie nach Feierabend nicht mehr an die Praxis denken möchten, sind Sie in der Anstellung gut aufgehoben. Für Inhaber/ Inhaberinnen kommen neben der Behandlung noch Management- und Führungsaufgaben hinzu. Als Selbständiger/ Selbständige sollten Sie Freude an Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten haben. Entscheidungen sollten Ihnen leichtfallen. Sie sollten selbstbewusst und durchsetzungsfähig sein und gut priorisie- ren können. Im Praxisalltag werden Sie sich regelmäßig mit Patienten/ Patientinnen und Personal auseinandersetzen müssen. Dafür benötigen Sie gute Menschenkennt- nis und Feingefühl. Wenn Sie aktuell schon im Angestelltenverhältnis unternehmerisch denken, Arbeits- prozesse hinterfragen oder organisatorische Verantwortung übernehmen, ist dies ein gutes Indiz dafür, dass Ihnen die Herausforderungen der Selbständigkeit liegen.9 Kanzlei für Heilberufe - Kanzlei Martin 1.3 Wieviel Einsatz möchte bzw. kann ich leisten? Manche Existenzgründer haben die Hoffnung, dass sie als Inhaber/ Inhaberinnen ent- scheiden können, wie viel Zeit sie mit der Arbeit bzw. mit der Familie verbringen. Dazu können wir aus unserer Erfahrung feststellen: Selbständigkeit ist immer zeitaufwendig. So beschäftigen Sie sich z. B. mit Fragen der fachlichen Ausrichtung, dem Marketing- Konzept, mit dem Einholen und dem Vergleich verschiedener Angebote für eine Neu- investition, mit Problemen im Team, mit der Frage der Einstellung und Ausbildung neu- er Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen bis hin zu Abrechnung und Buchhaltung. Dass Sie all diese Überlegungen und Arbeiten nicht während der Praxis-Öffnungszeiten erledigen können, versteht sich von selbst. Eine Praxis zu führen und als Behandler/Behandlerin tätig zu sein, ist zeitaufwendiger als eine Anstellung.Next >